· 

Der erste Schritt

Katrin Pfeffer, Energie in Bewegung, Inspiration Emotion
Insta: @emotion.stories

Müde. Ausgelaugt. So hatte ich es mir wirklich nicht vorgestellt. Tagein tagaus dreckig von oben bis unten. Abgeschmiert. Mit Brei. Milch. Spucke. Ich blicke an mir herunter und seufze tief. Wann war ich das letzte Mal für eine Stunde durchgehend sauber? Ich stoße ein müdes Kichern aus. Das scheint schon so weit weg zu sein. Jahre. Ewigkeiten. Dabei sind es doch erst 12 Monate.

 

Ich fahre mir mit der rechten Hand durch meine braunen, schulterlangen Haare. Ebenfalls zerzaust. Ich hatte noch keine Zeit, sie durchzukämmen. Bleibe plötzlich kleben. Waaah! Ich hatte vergessen, dass auch auf meiner Hand noch der Karottenbrei klebt. Jetzt in meinen Haaren. Ich schnaube wieder belustigt durch meine Nase. Das scheint schon zur Gewohnheit zu werden. Egal, sind ja nur Haare. Vielleicht kann ich mir heute Abend ein schönes, warmes Schaumbad gönnen. Mit ganz viel Schaum. Extra Lavendel, denke ich belustigt. Vielleicht hilft es ja. Ganz, ganz warm. Viel zu heiß für meinen Mann, aber ich liebe es. Genieße die Hitze des Wassers. Löst meine verspannten Muskeln. Lässt alles locker werden. Für mich eine Art des Loslassens. Auch die Ereignisse des Tages. Beruhigt ebenfalls meine oft  aufgerüttelten Nerven. Ein Lächeln der Vorfreude erscheint auf meinen Lippen.

 

Quietschen. Gebrabbel. *Krawumm* Es holt mich aus meinem Tagtraum wieder zurück in die Realität. Reflexartig springen meine Augen wieder auf und ich richte meinen Blick auf den wuselnden kleinen Racker am Boden. Checke die Situation in Sekunden. Mein Gehirn macht das schon automatisch. Braucht nur einen kurzen Moment zum Einschätzen. Alles gut, keine Verletzten. Es war nur der Turm an Bauklötzen. Er schreit lauthals. Wütend. Weil er nicht wollte, dass der Turm fällt. Alle Teile liegen jetzt verstreut im Zimmer herum. Meine Pause. Mein Durchschnaufen. Viel zu kurz. Ich reibe mir meine müden Augen. Ach, wäre es schön ein bisschen zu schlafen. Wunschdenken. Wenn es gut geht, nur 2 Stunden am Stück. Auch nachts. Es zehrt an meinen Nerven. Laugt mich aus. Gebrüll holt mich aus meinen Gedanken wieder heraus. Was ist denn jetzt wieder?

 

Ich blicke zu ihm hinüber. Baue sie doch wieder auf, sage ich. Mit ruhiger Stimme. Verständnisvoll. Obwohl ich mich eigentlich nicht danach fühle. Für Erwachsene scheint vieles so klein und unwichtig. Ist für ein Kleinkind, welches neu entdeckt und ausprobiert aber eine Tragödie. Denn das, was es gerade tut, ist seine Welt. Kennt noch nichts anderes. Hat keinen Vergleich.

 

Denke kurz in mich hinein. Versuche die Situation aus seiner Perspektive wahrzunehmen. Kann nur raten. Weiß es eigentlich nicht. Überlege mir aber, was mich selbst gerade motivieren würde. Möchte das Beste aus der Situation machen. Noch immer ohrenbetäubendes Geschrei. Ich komme schon, mein Spatz, sage ich. Wieder ruhige Stimme. Hole tief Luft und stehe mit Schwung auf. Strecke mich durch. Hüpfe ein paar Mal auf der Stelle und klatsche dabei in die Hände. Mache mich bewusst munter. Aktiviere mich. Er schaut mich erstaunt an. Hat aufgehört frustriert zu schreien. Ich lache. Mein Herz macht einen kleinen Sprung. Meine Mundwinkel zucken nach oben. Sein Gesichtsausdruck ist einfach zu komisch. Sehe dort: Was ist denn jetzt mit Mama los? Warum macht sie das? Ich kichere und sage zu ihm: na, machst du mit? Klatsch Klatsch. Und Hüpfen Hüpfen Hüpfen. Mache ein improvisiertes Lied daraus. Merke, wie sich schlagartig meine Stimmung aufhellt. Von so einer banalen Idee. Spüre, wie mich wieder etwas Kraft durchströmt. Bin immer noch gedämpft und müde, aber fröhlich.

 

Sein Gesicht hellt sich auf. Er klatscht begeistert mit. Möchte aufstehen. Schafft es noch nicht. Zieht sich mit seinen kleinen Patschhänden am Tisch hoch und steht. Wippt mit seinem Windelpopo hin und her. Verliert das Gleichgewicht und fällt patsch wieder auf sein Hinterteil. Gepolstert. Durch die Windel. Streckt seine Ärmchen in die Luft. Möchte wieder stehen. Ich lache und gehe zu ihm hinüber. Mein Herz singt. Fühlt sich plötzlich leicht und frei an. Vergnügt. Helfe ihm auf und wir wippen zusammen zu unserem eigenen Lied. Ich singe. Er brabbelt mit. Die Müdigkeit ist jetzt komplett vergessen. Tritt in den Hintergrund. Der Fokus auf den Spaß gerade eben hilft mir. Gibt mir Energie. Ich lasse mich lächelnd in die Hocke sinken, damit wir auf selber Augenhöhe sind. Er lässt kurz meine Hände los und wippt weiter. Ich reiße überrascht meine Augen auf. Er lacht herzhaft. Macht einen wackeligen Schritt auf mich zu. Fällt mir mit einem schelmischen Gekicher um den Hals. Schatz! Du hast einen Schritt gemacht! rufe ich glücklich und überrascht auf. Ein Schritt mit Augenzudrücken, aber das zählt in diesem Augenblick nicht. Kichernd und glücklich schmiegt er sich um meinen Hals. Seine zarten Ärmchen fest an mich gedrückt. Merke, dass ich glücklich bin. Mein Herz schäumt fast über aus purer Liebe und Glückseligkeit. Das Schaumbad taucht kurz in meinen Gedanken auf. Ich lache über mich selbst, bin aber sofort wieder in der Situation drinnen. Freue mich riesig, dass ich diesen Moment erleben darf. Der erste Schritt. Ganz alleine. Wow!

 

Ich drücke meinen kleinen Sohn zart an mich. Halte ihn. Mein Herz schlägt einen aufgeregten und glücklichen Rhythmus. Aufgeregt, ob dieses wunderschönen Momentes. Mein Kleiner drückt mich ebenfalls freudestrahlend retour. Er weiß nicht, warum ich so aufgeregt bin, aber spürt meine Emotion. Ist deshalb auch glücklich. Quietscht ausgelassen und lacht. Und bei mir? Diese Momente machen das Elterndasein zum schönsten Geschenk. Wenn das Herz plötzlich überfließt. Voller Dankbarkeit. Voller Liebe. Durch die kleinen Momente, die wahre Liebe verströmen. Kraft und Halt geben. Alles zu bewältigen.

 

An alle Eltern:

 

Egal, wie anstrengend, nervenaufreibend oder ausweglos du eine Situation wahrnimmst, behalte die wundervollen, magischen Momente im Vordergrund. Sie schenken dir Energie und helfen dir über jene Phasen hinweg, die dir Energie rauben und dich kraftlos zurücklassen. Dein Fokus bestimmt, wie du dich fühlst. Wähle bewusst!

Kommentar schreiben

Kommentare: 0